Was an Attack on Titan problematisch ist

Gerade startet der letzte Teil einer der erfolgreichsten Anime- (und Manga-) Serien, die es je gab. Attack on Titan verbreitete sich zum Start der ersten Staffel des Animes im Jahr 2013 rasend schnell um die ganze Welt. Die Geschichte aus der Feder von Hajime Isayama setzt Maßstäbe in Sachen Pacing und World Building – der Anime in Sachen Animation, Action und Musik. Manche machen Attack on Titan sogar dafür verantwortlich, dass wir heute weltweit nahezu jeden Anime nach Start in Japan legal streamen können und nicht mehr auf überteuerte DVD-Releases warten müssen. Für viele, die heute Animes schauen und lieben, war Attack on Titan der Einstieg. Mit mindestens einem weinenden Auge werden sich die meisten die letzten Folgen dieser genreprägenden Serie anschauen.

Doch an Attack on Titan gab es immer wieder auch Kritik. Die Serie bediene sich antisemitischer Erzählungen und sei eine der beliebtesten Serien in neurechten Kreisen. Das Militär und faschistische Gedanken würden glorifiziert. In unserer ersten Podcast-Folge im neuen Jahr sprechen wir darüber, warum es wichtig ist, über Attack on Titan zu sprechen und zu streiten. Und darüber, warum es zur Serie verschiedene Positionen geben können muss.

Für Feedback und Anregungen, kommentiert gern auf unserer Seite, schreibt uns eine Mail oder twittert und an: @das_filmmagazin.

Shownotes

Pop Matters: NAZISM REPACKAGED? A CLOSER LOOK AT THE “FASCIST SUBTEXT” OF ‘ATTACK ON TITAN’

Polygon: The fascist subtext of Attack on Titan can’t go overlooked

The New Republic: Why Attack on Titan Is the Alt-Right’s Favorite Manga

Vice: Everyone Loves Attack on Titan. So Why Does Everyone Hate Attack on Titan?

CBR: Attack on Titan Pulls Eldian Armbands From Stores Due to Anti-Semitic Connotations

Anime Feminist: Attack on Titan Pulls Eldian Armbands From Stores Due to Anti-Semitic Connotations

Medium: The Politics Behind ‘Attack on Titan’

4 Gedanke zu “Was an Attack on Titan problematisch ist”
  1. Yoshifuru war bis 1923 ein japanischer General, der maßgeblich am ersten Sino-Japanischen und im Russo-Japanischen beteiligt war und als „Vater der Kavallerie“ galt.

    Dann bekam er den Rang eines Feldmarschalls angeboten; das ist ein Rang für Generale, die sich militärisch besonders hervorgetan haben. Yoshifuru lehnte ab und quittierte den Dienst.
    Bis zu seinem Tode 1930 (Diabetes) war er danach im Schuldienst und reformierte die Bildung, was bis heute nachwirkt. Er äußerte Bedauern über seine militärische Karriere.
    Dies wurde kurz vor AoT in einer japanischen Fernsehserie dargestellt. Der dort dargestellte Yoshifuru, nicht der historische, ist das Vorbild von Pyxis.
    Und es könnte m.E. kein besseres Vorbild für einen maßgeblichen Offizier gehören der versucht, auch schwere Entscheidungen im Sinne des „Größeren Guten“ zu treffen als einen General, der den Höhepunkt seiner Generalstabskarriere abgelehnt hat und den Rest seines Lebens außerhalb des Militärs Bedauern über sein bisheriges Wirken äußerte. Damit ist der Kontext für Pyxis eben nicht „der hochdekorierte General in Korea“ (hier ist umstritten, inwieweit er mitmachte oder sogar versuchte, die Taten zu verhindern, cf. Beiträge von Südkoreanern die genau das thematisieren), sondern der Seriencharakter, der seine militärische Karriere den Rest seines Lebens öffentlich bedauerte.

  2. Es ist immer problematisch, eine für ein japanisches Publikum geschaffene Geschichte zu bewerten ohne einen einzigen Gedanken an die heutige japanische Gesellschaft zu verschwenden. Die Eldier waren Imperialisten, die unzweifelhaft Gräueltaten begingen. Dann wurden sie besiegt, außerhalb ihres Heimatlandes in Ghettos und Lagern interniert, und es gab den Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen sie. Heute gibt es ein Wiedererstarken militaristischen und imperialistischen Gedankenguts.

    Und jetzt bitte „Eldier“ durch „Japaner“ ersetzen. Internierung durch USA, aber auch UdSSR und Rotchina im/nach dem 2. WK (zu Beginn des ruschistischen Überfalls auf die Ukraine ging ein Bericht über einen Ukrainer japanischer Herkunft durch die Presse, der von Stalin nicht freigelassen wurde und in die Ukraine deportiert wurde, um eine Heimkehr möglichst unmöglich zu machen). Der 2. Weltkrieg endete durch die Zündung der Kernwaffen über Hiroshima und – Tage später! – Nagasaki. Heute gibt es ein Wiedererstarken nationalistischer Kräfte.

    …und auf einmal sind „Juden im 2. Weltkrieg“ nicht mehr die engste Entsprechung der Eldier. Allerdings sind weder Juden, noch Eldier, noch Israelis, noch USAmerikaner, noch Deutsche eine 1:1-Entsprechung der Eldier und/oder Marleyaner. Das Thema der Serie ist, daß aus Opfern Täter werden, die Opfer erzeugen, die zu Tätern werden, die neue Opfer machen, die……. dafür bedient sie sich historischer Parallelen, indem sie Eldianer auf Deutsche (Nördlingen im Ries, Nordschwaben, Bayern), Japaner und als Juden Verfolgte modelliert, sowie die Marleyaner auf Deutsche, USAmerikaner und Japaner.

    1. Eins kann man auf jeden Fall festhalten: Was die Serie bzw. Isayamas Geschichte insgesamt sehr gut macht, ist Raum zu lassen für unterschiedlichste Interpretationsansätze.

      1. Staffel 4 Folge 6 ist mE eine der besten Folgen der gesamten Serie. Auf einmal wird klar, daß die Angriffe der Marleyaner auch zu einem großen Evolutionsdruck geführt haben, so daß es jetzt Menschen mit Titanen aufnehmen („Sehen die nicht, daß ich ein Titan bin? Und sie greifen trotzdem an? Es sind normale Menschen? Das müssen die Teufel aus dem Paradies sein!“) Vietnam, Somalia und Afghanistán lassen grüßen, in beiden Fällen haben sich anfangs unterlegene Gegner durch Evolutionsdruck verbessert und waren am Ende in der Lage, den US-geführten Truppen, der UdSSR und 35 Jahre später den US-geführten Truppen ihren Hintern im Schmuckpaket zu senden. Marley wird als Staat gezeigt, der sich auf einem Abschreckungspotential ausgeruht hat und es verlor, als Paradies – ohne überhaupt noch von der Existenz von Marley zu wissen – gezeigt hat, daß Titanen besiegbar sind.

        Man kann sehr wohl Kritik äußern, z.B. daß die Achsenmächte relativiert würden; Shoah, Porajmos, der Überfall auf die Sowjetunion und die japanischen Kriegsverbrechen stellen die Achsenmächte nicht auf dieselbe Stufe wie die Alliierten, und die Alliierten haben unmittelbar nach dem Krieg von sich aus den Bombenkrieg, den sie wenige Jahre vorher führten, geächtet. (Auch interessant in dem Zusammenhang die Biographie von Fritz Haber und dem Gaskrieg im 1. WK). Darauf kommt es dem Autor aber gar nicht an, sondern wie sehr eine Unterdrückungserfahrung eine Gesellschaft radikalisieren kann (Perry-Expedition 1853 -> Meiji-Restoration; Versailles 1919 -> Machtergreifung 1933). Tagesaktuell wird von europäischen Staaten und den USA auch die Durchführung einer anderen militärischen Aktion kritisiert, nicht mehr verhältnismäßig zu sein.

        Vorwürfe gegen AoT sind aber genau die Punkte, die man NICHT kritisieren kann. Eldianer werden durch die Bank als PoV für Personen verwendet, die nicht unmenschlich sind, sondern durch unmenschliche Behandlung überhaupt erst selbst unmenschlich werden. Niemand kann ernsthaft sehen, wie Grisha Yaeger’s Schwester von „Herrn Groß“ durch Hunde zerfleischt wird und denken: „Ja, der Autor will damit zeigen, daß das in Ordnung ist!“

        Dagegen, es ist sehr wohl denkbar daß Faschos die Szene in „Schindlers Liste“, bei der der rote Mantel coloriert ist, als Plakat ausdrucken und als „Völkermordästhetik“ behandeln. Ist deshalb „Schindler’s Liste“ „Neurechts“ oder „Antisemitisch“? Isayama hat mit der Bildsprache für sein Publikum gearbeitet, bei der ein nuancierteres Gleichnis bzgl der Eldianer nicht angekommen wäre (QED: Die Rolle des Aussehens von Yoshifuru bei Pyxis versteht niemand im Westen auf Anhieb, und wenige sind bereit, eine 5min ddg.gg-Suche nach der Person zu machen).

        Eine gute literarische Bearbeitung ist nicht, der Leser-/Zuschauerschaft alles vorzukauen, sondern, zum Nachdenken anzuregen. Niemand, den man für voll nehmen sollte, kann AoT das absprechen. Es ist daher schade, daß unter vieler oberflächlicher Scheinkritik sehr wohl gerechtfertigte Kritik untergeht.

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